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Es sagt sich so leicht, daß alles eine Bedeutung hat, ja daß in allem, was ich erlebe oder was mir widerfährt, ein Sinn steckt. Aber wenn ich mitten in Nöten oder Schwierigkeiten stecke, dann sehe ich weit und breit keinen Sinn.
Ich darf auch keinem Menschen auf den Kopf zusagen, daß ein bestimmtes Erlebnis, daß eine besonders schwere oder bitter machende Erfahrung diesen oder jenen Sinn für ihn habe. Das wäre anmaßend - und oft genug ist es lieblos und verletzend. Es gibt so schreckliche Erfahrungen, daß jedes Reden von einem Sinn wie ein Hohn klingt.
Jeder Mensch muß den Sinn seines Lebens selber entdecken – nein, er muß ihm gegeben werden. Sinn und Bedeutung unseres Lebens können wir uns nicht ausdenken oder herbeizwingen. Sie sind Gabe und Geschenk. Wenn wir vom Sinn des Lebens sprechen, dann sprechen wir im Grund vom Geheimnis des Göttlichen in unserem Leben.
Ich habe die Erfahrung gemacht, daß sich die Bedeutung oder der Sinn eines Erlebens erst hinterher erschließt. Es ist uns versagt, den Sinn von vornherein oder direkt zu sehen. Den Sinn sehen oder begreifen zu wollen, das ist so, als wollte man Gott sehen. Aber die Bibel weiß, daß der Mensch vergehen würde, wenn er Gott direkt sehen wollte. Gott kann man nur hinterher sehen*. Und so wie wir Gott nur hinterher sehen können, so können wir auch nur im Nachhinein sagen, welchen Sinn ein Erlebnis für uns hat, ob zum Beispiel eine Krankheit einen Sinn für uns gehabt hat oder ob ein Verlust oder ein Schmerz für uns bedeutungsvoll geworden ist - oder uns sogar zum Segen wurde.
Manche meinen, es sei möglich und wichtig, immer gesund und glücklich zu bleiben. Ich glaube, daß das ein schrecklicher Irrtum ist, denn das Vergehen ist nicht nur Teil unseres Lebens - mit all den Ängsten, Schmerzen, Traurigkeiten und Dunkelheiten, die dazu gehören können, - sondern sehr oft sind leidvolle Erfahrungen und Schwierigkeiten notwendig für unsere innere Entwicklung. In einem alten Choral wagt ein Mensch zu sagen: „Unter Leiden prägt der Meister in die Herzen, in die Geister sein allgeltend Bildnis ein. . . Leiden sammelt unsre Sinne, daß die Seele nicht zerrinne in den Bildern dieser Welt, ist wie eine Engelswache, die im innersten Gemache des Gemütes Ordnung hält"**.
Betrachtung:
Die Bedeutung oder der Sinn eines Erlebens erschließt sich erst hinterher. Es ist uns versagt, den Sinn von vornherein oder direkt zu sehen. Den Sinn direkt sehen oder begreifen zu wollen, das ist so, als wollte man Gott sehen.
Gebet:
Mein Gott,
wenn ich auf mein Leben sehe,
dann erscheint es mir oft wie ein verworrenes
und schreckliches Durcheinander.
So vieles kann ich nicht verstehen.
Immer wieder frage ich mich:
Warum? Wozu?
Bin ich daran schuld?
Oder andere Menschen, oder die Natur?
Warum ist unsere Welt so schrecklich?
Warum sind wir so unvernünftig?
Mein Gott?
Wo ist der Sinn?
Was die Bedeutung dessen, was mir geschieht?
Mein Gott,
Du allein weißt den Sinn.
Was mir verworren erscheint, ist für Dich ein geordnetes Muster
Du allein kannst mir erschließen,
mein Gott,
was für mich so rätselhaft ist.
Mein Gott, Du bist der Sinn. Amen.
Im Schweigen:
Das Kreuz - Gottes Weisheit.
Oder: Jehoschua.
Oder: Maranatha.
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*) 2. Mose 33,18-23.
**) Evangelisches Kirchengesangbuch 1952, Nr. 305,1+ 4.