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„Gott ist gegenwärtig" sagt etwas über den „Raum", in dem wir in unserer Meditation sitzen: Wir sitzen im Raum Gottes. Wir mögen uns allein und verlassen vorkommen. Vielleicht werden wir von unzähligen Bildern und Gedanken abgelenkt, vielleicht sind wir von Schmerzen geplagt, vielleicht fühlen wir uns wie vernagelt, wie in einer tiefen Finsternis – und doch sind wir mit alle dem in Gott; mit alle dem sind wir in der Gegenwart Gottes.
Im Mittelalter konnte man sagen: „Gott ist eine unendliche Kugel, deren Zentrum überall, deren Umfang jedoch nirgends ist."* Mit anderen Worten: Wer wir auch sind und wo wir auch sind, wir befinden uns immer im Herzen Gottes. Und auch wenn uns nur tiefste Dunkelheit zu umgeben scheint, sind wir im Herzen Gottes. Zugleich deutet dieses Bild an, daß das Göttliche auch in uns wohnt, daß das Zentrum, das überall ist, auch die Mitte unseres Lebens und Wesens ist.
Ich weiß, daß das unglaublich klingt. Wir sind taub und blind dafür geworden, durch die unzähligen Bilder, die Tag für Tag auf uns einströmen, durch die Geräusche, die uns bedrängen, durch die Gedanken, die uns beschäftigen und die vielen Erfahrungen, die wir gemacht haben.
Darum ist es der Sinn unserer Meditation, daß wir wieder feinfühlig werden für die Mitte in uns und für den unendlichen „Raum" Gottes, in dem wir in jeden Augenblick sind.
Mancher wird denken: Das widerspricht all’ meinem Denken und Wissen. Und doch gibt es Menschen die uns sagen: Ich weiß, daß da eine uns tragende und zugleich erfüllende Mitte ist. Ich habe es erfahren!
Um Er-fahrung geht es. Es geht um das Begehen eines Weges. Es geht um ein langsames sich Hineinfühlen und Hineintasten. Es geht um Lauschen und Hinhören, um Erahnen und Erspüren. Und es geht um Erwartung und um beständige Offenheit für Neues und Unerwartetes – auch wenn ich nichts erfahre, sehe, spüre, auch wenn um mich und in mir nur Dunkelheit ist. Denn „Finsternis ist nicht finster bei Dir; und die Nacht leuchtet wie der Tag; Finsternis ist wie das Licht"**. Und Tersteegen sagt es so: „Luft, die alles füllet, drin wir immer schweben, aller Dinge Grund und Leben, Meer ohn’ Grund und Ende, Wunder aller Wunder: ich senk mich in dich hinunter. Ich in dir, du in mir, laß mich ganz verschwinden, dich nur sehn und finden"***.
Betrachtung:
Gott ist wie ein Raum, dessen Mittelpunkt überall, dessen Umfang aber nirgends ist.
Gebet:
Mein Gott,
Daß ich immer in Dir bin
in jedem Augenblick und zu jeder Zeit,
ich kann es nicht fassen.
Ich bin so blind geworden
für Deine Gegenwart.
Aber es ist gut zu vertrauen,
daß ich immer in Deinem Herzen bin,
was auch geschieht.
Du!
Du bist der Raum,
der jeden Raum umfaßt,
Du bist unendlicher als das All.
Du,
nichts kann Dich fassen und doch -
und doch bist Du die Mitte meines Lebens und Wesens. Amen
Im Schweigen:
In Ihm sind wir.
Oder: Jehoschua.
Oder: Maranatha.
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*) Nach C.G.Jung, Briefe II, S. 18, Anm. 8, Walter-Verlag 1972.
**) Ps 139,12.
***) Evangelisches Gesangbuch Nr. 165,5.